Historischer Rückblick

In Emersacker, ein Ort, der durchwegs ländlich strukturiert war, beklagten sich Ende des 19. Jahrhunderts die Menschen über die wirtschaftlichen Missstände. Die zunehmende Verarmung der Bevölkerung und die schlechten sozialen Verhältnisse waren die Triebfedern für die Gründung des Darlehenskassenvereins Emersacker nach dem System von Friedrich Wilhelm Raiffeisen. Am 3. Oktober 1898 beschlossen 44 Bürger die Gründung des Darlehenskassenvereins Emersacker. Sie wählten Pfarrer Pius Strodel zum Ersten Vorsitzenden und den Lehrer Josef Waitzinger zum Aufsichtsratsvorsitzenden. Rechner war der Förster Karl Heindl. 1898 betrug die Bilanzsumme 4.713 Mark, wobei nur Geldgeschäfte getätigt wurden.

Im Jahr 1954 kaufte die Genossenschaft von dem Landwirt Sebastian Seemiller das gesamte landwirtschaftliche Anwesen in der Schmiedgasse (heute Nr. 13). Der Heu- und Getreidestadel wurde zu einem Lagerhaus umgebaut. Gehandelt wurde mit Kunstdünger, Futtermittel und Kohlen.1959 errichtete man in den Lagerräumen eine Gemeinschafts-Tiefkühlanlage mit 28 Schrankfächern im Wert von 25.000 DM. Die Geschäftsräume der Raiffeisenkasse Emersacker befanden sich bisher in den Privaträumen des jeweiligen Rechners. 1962 wurde das alte landwirtschaftliche Wohnhaus in der Schmiedgasse abgerissen und an der gleichen Stelle ein neues Bankgebäude erstellt. Von da an gehörten die „Rechnerstuben“ der Vergangenheit an.

1968 gelang es der Bank, an der heutigen Raiffeisenstraße in Emersacker von den Fugger`schen Stiftungen das Grundstück des ehemaligen Forsthauses und den Platz des ehemaligen „Schulgärtles“, der an die Hauptstraße angrenzt, zu erwerben. Dem notwendigen Bau eines neuen Bankgebäudes im Jahre 1970 stand nun nichts mehr im Wege: Mit einem Kostenaufwand von 480.000 DM wurde ein Bankgebäude mit Flachdach an der Hauptstraße in Emersacker erstellt. Im Jahr 1983 bekam das Gebäude einen Dachstuhl und eine neue Innenausstattung. 1995 wurde das Gebäude umgebaut und um einen Anbau erweitert. Die neuen Fassaden passten nun zum benachbarten Fuggerschloss.

Durch die vom Gesetzgeber geforderte hauptamtliche Besetzung der genossenschaftlichen Kreditinstitute stellten sich bei vielen Genossenschaften diesbezüglich große Probleme ein, die zunehmend zu Fusionen führten. Dies war der eine Aspekt. Der Andere war, durch sinnvolle Zusammenschlüsse die genossenschaftliche Leistungsstärke zu optimieren, um gemeinsam am Markt wettbewerbsfähig zu sein. 1960 wurde die ehemalige Raiffeisenkasse Affaltern im Zuge einer Verschmelzung übernommen. Im selben Jahr erwarb die Genossenschaft ein Baugrundstück in Affaltern und errichtete im Jahr 1961 ein Lagerhaus mit einem Kassenraum. Der Name wurde in Raiffeisenkasse Emersacker-Affaltern umbenannt. 1961 wurde die Raiffeisenkasse Bocksberg übernommen. Die dortige Zweigstelle blieb bestehen und der Warenverkehr wurde im vorhandenen Lagerhaus weiter betrieben. 1962 erfolgte erneut eine Namensänderung: Raiffeisenbank im Laugnatal, Emersacker. Ein Jahr später, im Jahr 1963, erfolgte die Verschmelzung mit der Raiffeisenkasse Lauterbrunn. Die vorhandenen Grundstücke und Immobilien, ein Einfamilienhaus, eine landwirtschaftliche Scheune und zwei Tagwerk Wiesengrundstücke, gingen auf die Genossenschaft über. Auch in Lauterbrunn blieb eine Zweigstelle bestehen und im Jahr 1965 wurde die landwirtschaftliche Scheune zum Lagerhaus umgebaut. Eine weitere Verschmelzung mit der Raiffeisenkasse Heretsried erfolgte 1964. Das Geschäfts- und Lagerhaus erhielt die Genossenschaft und eine Zweigstelle wurde unterhalten.

Nach über 100-jähriger Selbständigkeit fusionierte die Raiffeisenbank Emersacker im Jahr 2003 mit der Raiffeisenbank Meitingen. Die Zeit blieb aber auch hier nicht stehen. Die Raiffeisenbank Meitingen fusionierte mit der Raiffeisenbank Gersthofen und später Meitingen-Gersthofen mit der Handels- und Gewerbebank Augsburg zur VR-Bank Lech-Zusam eG – heute VR-Bank Handels- und Gewerbebank. Wegen Strukturmaßnahmen der VR-Bank/Handels- und Gewerbebank wurden viele Räume der ehemaligen Raiffeisenbank Emersacker nicht mehr genutzt. Nachdem die Geschäftsstelle der Kreissparkasse in Emersacker im Jahre 2015 geschlossen wurde, eröffnete am 4. April 2016 die VR-Bank ihre Filiale in diesem Haus. Es ist allgemein bekannt, dass Filialen nicht zur Zukunft der Bankenbranche gehören. Wegen fortschreitender Digitalisierung und einem veränderten Kundenverhalten sowie des Kostendrucks dünnen die Banken ihr Filialnetz seit Jahren aus. Zum 30. November 2022 gingen nun auch in der Zweigstelle in Emersacker dauerhaft die Lichter aus. Mit dieser Schließung der VR-Filiale ging in Emersacker eine 124-jährige Bankengeschichte zu Ende.

Text: Alois Heim


Die Straßenansicht der Filiale der VR-Bank Handels- und Gewerbebank in Emersacker, Bild: Alois Heim